Kurzgeschichten

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„Das Weihnachtsgeschenk“

                                   Das Weihnachtsgeschenk

             Eine Geschichte, die auch in die  Eurozeit passt.

Ich erinnere mich an Tante Berta. Es war noch die  Zeit, als wir mit der D-Mark bezahlten. Und es war Weihnachten.

 Immer, wenn das Weihnachtsfest nahte, überlegte Tante Berta, was sie ihrer besten Freundin schenken könnte. Ich schenke ihr Geld, wie in all den zurückliegenden Jahren, dachte sie,  15 Mark, drei polierte Fünfmarkstücke in einem mit Seidenpapier gefüttertem Kuvert.

Auch ihre Freundin Alicia schenkte der Berta drei Fünfmarkstücke in einem Kuvert. Aber Alicia machte sich nie die Mühe des Putzens, was Tante Berta immer recht lieblos fand. Da sie jedoch mit Alicias Freundschaft zufrieden war ließ sie sich ihre Enttäuschung nie anmerken.

Jeden Heiligen Abend, wenn es Zeit wurde die Geschenke zu überreichen, umarmten sich die beiden Freundinnen, tauschten ihre Briefumschläge aus und bedankten sich einander überschwänglich.

Alle Jahre das selbe Ritual.

Nur in dem Jahr 93,  jedenfalls, beschloss Tante Berta mit ihrer Freundin Alicia ernsthaft über die ganze Schenkerei zu reden.

Alle Welt sparte. Alle Politiker redeten von leeren Kassen. Sogar die Rentenkasse schien löchrig zu sein. Da lag es auf der Hand, auch Tante Berta wollte sparen.

Weihnachtstrubel überall. Lichterketten überspannten die Straßen unserer Stadt. Aus den Geschäften, den Warenhäusern tönten altvertraute Weihnachtsklänge. Menschen hetzten durch die Supermärkte. Tante Berta und ihre Freundin Alicia saßen in einem Cafe´ am Pferdemarkt und plauderten über nicht anwesende, gemeinsame Bekannte.

Dann brachte Tante Berta das Gespräch gezielt auf das Thema Sparen: „Ja, liebe Alicia“, sagte sie,

 „die Preise sind nicht mehr das, was sie mal waren, ich glaube, auch  wir müssen unser Geld mehr zusammen halten, uns  der Zeit anpassen und sparen. Ich denke, mit dem Schenken fangen wir an.“

„Ja, liebe Berta, du hast ganz recht, an der ganzen Schenkerei verdienen doch nur die Anderen.“

Da erhoben sie ihre Kaffeetassen, tranken sich zu.

Und überlegten dabei, schon im Stillen, was sie sich für die so eingesparten Fünfzehnmark kaufen werden.

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