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Die 2. korrigierte Auflage meines neuen Buches: „Keiner hat mich je gefragt“, ist im Handel

Die  autobiographischen  Erzählungen sind als Buch mit dem Titel: „Keiner hat mich je gefragt“    –   Ein Kriegskind erzählt –  1931 bis 1948,  vom Zeitgut Verlag Berlin  herausgegeben worden. Nun ist  schon

                                                            die 2. korrigierte Auflage des   Buches  im                                                                                      Handel.  

Umschlag Vorderseite  Cover

                              ISBN:   3 – 86614 – 239 – 0,   Preis: Euro  9,90

                                                            Zum Buch

Harry Banaszak, Jahrgang 1931, hat den verheerenden Zweiten Weltkrieg überlebt. Viele Jahre seiner Kindheit und Jugend waren von Krieg und Nachkriegszeit überschattet. In dem Buch „Keiner hat mich je gefragt“ erzählt er Geschichten und Episoden von seiner Erziehung zu unbedingtem Gehorsam. Er berichtet von Lehrern und Erziehern, die sich vor den Karren der damals Herrschenden spannen ließen, aber auch von denen, die trotz politischem Druck menschlich blieben und Herz zeigten. Er schreibt von seinen Gefühlen der Angst in der Reichspogromnacht und bei den Bombenangriffen auf Berlin, von einem kurzen Familienglück auf dem Lande während seiner ersten Kinderlandverschickung nach Thüringen, aber auch von deren späterer Kehrseite im KLV-Lageralltag im Warthegau und in Posen. Zunächst auf der Flucht holt ihn die Rote Armee auf Usedom beim Volkssturmeinsatz schliesslich doch noch ein. Nach der Kapitulation lebt er eine Zeitlang in Zinnowitz unter Russen und Polen, sie retten ihn vor dem Verhungern, ja, er soll sogar Koch werden! Doch das Heimweh ist stärker. Auf einem selbst zusammengebauten Fahrrad strampelt Harry zurück nach Berlin – wo ihn seine Mutter Liesbeth und sein Vater, aber auch der Hunger der Berliner Nachkriegszeit erwarten. Der Vater will zurück in die alte Heimat der Familie, nach Polen – und Harry, der gerade wieder eine Ausbildung begonnen hat, muß mit – und fügt sich. Schließlich gehört er zu der Generation von Jugendlichen, die nie gefragt, denen nur befohlen wurde.
Im letzten Kapitel schildert Harry B. seine spätere Berufsfindung im neuen Polen.

Aus dem Inhalt des Buches:
Am Anfang war es Liebe • Berlin-Mitte, Strelitzer Straße 74 • Plötzlich habe ich zwei Schwestern • Barfuß übers Stoppelfeld • Ich bekomme Angst • In Berlin ist Krieg • Kinderlandverschickung ins Warthegau • Die Flucht vor der Roten Armee • In Zinnowitz: Meldegänger • Die Begegnung mit dem Frieden • Das Fahrrad oder Heimkehr • Das gestohlene Brot • Die Jahre 1946/1947 – Berlin hungert noch immer • Auswanderungspläne • Von Deutschland nach Polen • So wurde ich Seemann

                                                      Vorwort

Viele Jahre meiner Kindheit und Jugend waren von Krieg und Nachkriegszeit überschattet. Durch eine menschenverachtende Politik der Nationalsozialisten wurde die Welt am 1. September 1939,  vor 75 Jahren, in den Zweiten Weltkrieg gerissen. In dieser schrecklichen Zeit starben Millionen unschuldige Menschen in den Todeslagern, an den Fronten und in den bombardierten Städten eines gewaltsamen Todes. Unzählige erfuhren viel Leid und Elend. Diejenigen, die wie ich das Glück hatten zu überleben, werden immer weniger. Sie sind  Augenzeugen und das Geschehen ist nicht spurlos an ihnen vorbeigegangen. Und sie sind entsetzt über den erneuten Unfrieden in der heutigen Welt.

Wenn ich das tägliche Geschehen in der Welt betrachte, komme ich zu dem Schluß: Die Menschen haben aus der Vergangenheit nichts gelernt. Wie furchtbar. Ich bin erschüttert.

So verspüre ich das Bedürfnis, anhand meines Lebens  meinen Kindern und Enkelkindern zu zeigen, was sich in dieser Zeit aus ersten, scheinbar unverfänglichen Begebenheiten in Familie, Schule und gesellschaftlichem Leben entwickelte, wie sich die durch den damaligen Zeitgeist  gesteuerte Erziehung zum absoluten Gehorsam und Drill, auswirkte. Ich hoffe, daß mit der Veröffentlichung meiner Lebensgeschichte „Keiner hat mich je gefragt“ noch eine Stimme gehört wird, die diese Zeit in Erinnerung ruft und aufzeigt, was Kindern mit Krieg und Gewalt, der Trennung von Familie und Freunden, den Tag und Nacht dauernden Bombenangriffen, der Flucht und Vertreibung, dem Hunger alles zugemutet wird. Und ich wünsche, daß solche Ereignisse wie die von 1933 bis 1945 sich  nie wiederholen.

 

Stade, im August 2014

Harry Banaszak

 

Eine Leseprobe:

                            Herbst 1938

 

Kühler Herbstwind fegte an diesem ersten November- Montag,   des Jahres  1938, über den Schulhof. Die Kastanien hatten ihre Blätter bereits verloren und streckten ihre kahlen Äste in den grauen Himmel.  Ich fror während der großen Pause, das mir  Gänsehaut über den Rücken lief und war froh, wieder zurück  ins warme Klassenzimmer zu dürfen.

Herrn Straeng, unser Klassenlehrer,  kannte   heute nur ein Thema: Er sprach  über das Attentat in Paris.  Er verdammte den  feigen jüdischen Anschlag auf einen deutschen Diplomaten. Der Attentäter soll ein 17 jähriger Judenjunge, ein gewisser, Hersche Grynszpan, gewesen sein.

 Herr Straeng schaffte es uns  Jungen so einzuheizen, dass wir wütend wurden, dass wir diesen feigen Kerl verfluchten und über diese entsetzliche Tat entrüstet waren. Wie konnte der nur.

Auch in Heises Kneipe und bei Vater im Friseur-Laden wurde heiß über den Mord an den deutschen Diplomaten, Ernst vom Rath, diskutiert. Herr Straeng, unser  Lehrer, der nur noch  in seiner SA Uniform zur Schule kam, bearbeitete uns an den darauf folgenden Tagen  in seiner eindringlichen Art zu glauben, dass alleine die Juden an allem Unglück unserer Welt schuld seien. Mit dem Rohrstock unterstrich er jedes seiner Worte. Und am Ende der Stunden waren wir Jungen überzeugt, dass das stimmte.

 Doch kaum zu Hause, die Schularbeiten hatte ich mit Oma B. gemacht,  ging es rüber zu Herbert, zum Spielen in den Kohlenkeller.  Lehrer Straengs Worte  waren vergessen.

Bilder gucken war wichtiger.

 Herbert hatte zum Geburtstag eine Laterna magica  bekommen. Mit dieser Zauberlaterne projizierte er bunte Märchen- und Tierbilder auf ein weißes Laken bis die Kerze runter gebrannt war. Das war wie im Kino. Gerwin, Herbert und ich konnten uns an diesen bunten Malereien nicht satt sehen..

                     Reichspogromnacht 9. November 1938

Einmal in der Woche, immer am Mittwoch, war Omatag.  Auch heute, am  9. November, kam Oma B. zum Abendessen.  Wenn die Laternen auf der Straße zu leuchten begannen, war in der Strelitzer-  nichts los, aber heute tat sich was. Eine Unmenge  Lastwagen kamen von der Invalidenstraße her,  brummten und schepperten gefährlich an unserem  sich unmittelbar über dem Bürgersteig befindlichem Kellerfenster vorbei. 

Vater hatte den letzen Kunden bedient und das Geschäft geschlossen, die Tür verriegelt.  Mutter Liesbeth stellte gerade das  Essen auf den Tisch. Plötzlich hörten wir von der Straße  eindringliches  Schreien und Brüllen, so laut, dass es das Brummen der Motore übertönte.  Vater, Mutter Liesbeth und Oma stellten sich an das Keller-Fenster. Vater hob mich hoch, damit auch ich etwas sehen konnte.  Ich sah wie SA Männer  auf   der anderen Straßenseite Menschen vor sich her schubsten  und sie auf die Ladeflächen der Wagen zerrten. Fensterscheiben wurden zerschlagen, Scherben klirrten auf den Bürgersteig. Möbel und  Bettzeug flogen aus den Fenstern der oberen Wohnungen. Federn segelten im trüben Schein der Gaslaternen wie Schneeflocken durch die Gegend. Die großen Schaufenster der Schneiderei und des Seifenladens  zerbarsten. Aus der Schneiderei kamen dunkle Gestalten  mit Stoffballen geschultert und machten sich davon.

 „Mein Gott,“ sagte Oma, „mein Gott, das sind doch auch Menschen!“ „Mein Gott, mein Gott,“ wiederholte Oma immer wieder. Vater war kreidebleich im Gesicht, und ich zitterte vor Angst. „Hoffentlich kommen die nicht noch zu uns,“ schluchzte  Mutter Liesbeth. „Polen tun sie nichts,“ entgegnete Vater,  „außerdem sind wir deutsche Bürger.“ „Aber die da drüben doch auch,“ erwiderte Oma. In dieser Nacht schlief  keiner in unserer Straße.

Ich erinnerte mich an die Worte des Lehrers, was er uns über die Juden gesagt hatte. War das wirklich wahr?   Aber der Schneidermeister, der gerade  auf die Straße getrieben und misshandelt wurde, war zu uns Kinder  immer so freundlich.  Wenn Gerwin und ich zum Spielen  ein Stück Strippe  brauchten und wir zu ihm in den Laden gingen, nach einen Bindfaden fragten, guckte er ganz verschmitzt und sagte: „Nu, ihr zwei, wollt wohl wieder Pferd spielen und braucht Zaumzeug, nich?“ Wir nickten. Zum Bindfaden bekam jeder noch einem Pfefferminzbonbon. Mit einem freudigen „Danke“ flitzen wir auf die Straße und waren die glücklichsten Kinder der Welt.

Auch Frau Grün aus dem Seifenladen, dessen Schaufensterscheibe gerade zu Bruch ging, kannte ich solange ich  lebe, Frau Grün war immer freundlich. Bei ihr durften wir im Sommer, wenn die Sonne am späten Nachmittag noch  schien, sogar auf der Treppe vor ihrem Laden sitzen.  Sie verjagte uns nie, wie die anderen Geschäftsleute. In den letzten großen Ferien schenkte sie jedem von uns  sogar einen Kreisel. Einen schönen bunten.  Die Strelitzer Straße hatte bis zur Anklamer- einen asphaltierten  Straßenbelag. Hier konnten wir ungestört die Triesel  (Kreisel) über den Asphalt peitschen. Die paar Pferdewagen, die zum Kuhstall fuhren, störten uns nicht. Den ganzen Herbst über waren wir beschäftigt. Und das soll´n die Juden sein, die Deutschland und die Welt kaputtmachen?  Wie Lehrer Straeng täglich behauptete. Unausgeschlafen machte ich mich am  nächsten Morgen auf den Weg zur Schule. Oma und Mutter Liesbeth hatten die ganze Nacht  hilflos geweint. Überall auf der Straße lag­­­­en zerstörtes Mobiliar, zerrissene Kleidung  und Scherben. Es sah aus, als hätten die Müllmänner  alle Müllkästen auf die Bürgersteige geleert. Mit  weißer Farbe waren Fassaden mit sechseckigen Sternen  und Parolen gegen Juden beschmiert.

Das  Horst Wessel Lied,  jeden Morgen von der Klasse zum Unterrichtsbeginn gesungen,  tönte heute schwach aus dem Munde unseres Lehrers. Die erhobene Rechte zitterte, er  war  heiser, sah müde aus, seine braunen Schaftstiefel waren staubig, nicht  geputzt wie sonst. Erst als  Herr Straeng von der erfolgreichen Vergeltung   erzählte, die letzte Nacht  stattfand, lebte er auf und seine  Augen glänzten trotz der „durchkämpften Nacht“. 

 Weil wir so brav zugehört hatten, bekamen wir  nach der zweiten Stunde  frei.  Wir durften nach Hause. Dafür sollten wir einen Aufsatz über die Juden schreiben.

                       Für den Aufsatz bekam ich eine  Sechs.

Ich glaube der Aufsatz war zu kurz. Oma B., bei der ich noch immer nach der Schule meine Schularbeiten machte und zu Mittag aß sagte, als ich sie fragte, was ich schreiben solle: „Schreib, Juden sind auch Menschen. Punkt.“ Und das hatte ich geschrieben.

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              Das Buch können Sie auch direkt im Zeitgut Verlag unter:

Mail:    lydia.beier@zeitgut.com    bestellen.

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