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NEUERSCHEINUNG: 1907 IM OSTELAND

Von der Oste nach Hamburg, dem Tor zur Welt

In die Zeit des Wandels vom 19. zum 20. Jahrhundert wurde Jan im Jahre 1881 in Bremervörde an der Oste geboren – in einer Epoche, in der die Bismarck’schen Sozialistengesetze in den Köpfen der kaiserlichen Untertanen herumschwirrten und den politischen Alltag bestimmten. Auch der preußische Drill, der bis in die Familien reichte, war überall zu spüren.
Als Jan nach der sechsten Klasse mit 13 Jahren die Schuleverließ, bestimmte der Vater, dass Jan Schiffszimmermann werden sollte, so wie er. Aber Jan widersetzte sich. Er wollte zur See fahren. Er träumte von einem eigenen Schiff und setzte sich durch. Nach erfolgreicher Fahrzeit und dem Besuch der Seefahrtschule heiratete er Gesche, die einzige Tochter eines Moorbauern aus Ostemoor, einer Siedlung gleich hinter dem Deich der Oste.
1906/07 ließ er sich auf einer Gräpeler Werft einen seetüchtigen Besan Ewer bauen und wurde Eigner. Im Wettbewerb des freien Handels erfuhr er Misstrauen und Verleumdungen. Auf dem Moorhof brachten unvorhersehbare, außergewöhnliche Geschehnisse Jans Frau Gesche in arge familiäre Schwierigkeiten. Dazu reichten sich auch Neid und Missgunst die Hände.
Konnten die Probleme zur See und hinter dem Deich mit Hilfe der eigenen Kraft und dem Vertrauen von außen gelöst werden?

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Eine Leseprobe:

Auf See

Kurs auf Dänemark

Auf See. Sonntag, der 28. Juli 1907, morgens, Klocken vier. Die „Tina“ ist nun schon fünf Tage auf ihrer ersten Reise. Fünf ganze Tage auf eigene Rechnung im Frachtgeschäft nach Dänemark. Gutes Gefühl auf Jans Ewer zu fahren, dachte Hannes. Sogar ´ne Mackerschaft hatte er mir angeboten. Könnte mich einbringen. Aber, ob die Frachtraten so bleiben? In der neuen Zeit werden die Schiffe immer größer. Immer mehr „Smöker“, mit enormen Tragfähigkeiten, durchpflügen die Meere. Jeder einzelne schleppt Hunderte Tonnen an Fracht. Was wird in dieser „Neuen Zeit“ aus den kleinen Holzschiffen, wie die „Tina“? Werden sie überleben? Was bringt die Zukunft? Hannes atmete tief durch und hielt das Steuerrad fest in der Hand. Der Wind röhrte in den Wanten. Die See wurde ruppiger. Zeit, das Hauptsegel dichter zu holen. In den Blöcken knirschen die Schoten. Nach Jans Berechnung würde die Insel Sprogö gegen neun Uhr passiert sein. Das Manöver wollte er selbst fahren, hatte er gesagt. Noch kann er schlafen. Seit sechs Uhr morgens brannte im Herd das Feuer. Jetzt war es sieben. Auf Fiete war Verlass. Wohlig warm war es am Ofen und in der Roof. Nur vom Niedergang her schlich morgendliche Kühle in den Raum. Das war gut – bis Mittag. Erst dann, wenn die Sonne ihre sommerliche Kraft spüren ließ und heizte, half für ein verträgliches Klima auch keine noch so starke Brise. Dann war Schwitzen angesagt.Zwischen den eisernen Schlingerleisten auf der Herdplatte klemmte der Kessel mit dem Tee – Wasser. Pünktlich, wie abgesprochen. Überholsicher.Hinter der Back, auf einer umgestülpten Pütz saß Fiete, mit offenem Hemd. Vor sich den Korb mit Kartoffeln und schälte, gar nicht unbegabt, die Knollen für die Sonntagssuppe. Das Kartoffelschälen hatte ihm der Hannes noch in Gräpel beigebracht.
„Nich eckig soll´n sie sein, min Jung,“ hatte er gesagt, „rund müssen sie bleiben und ´ne dünne Schale will ich seh´n, sonst hast du mehr Abfall im Korb, als Kartoffeln im Topf, das sieht auch unser Skipper nicht gern, wenn du weißt, was ich meine“. Das waren klare Worte. Hatten Sinn und schärften Fietes Verstehen von dem praktischen Unterschied zwischen den eckig und rund geschälten Erdäpfeln.Von Deck aus blickte Hannes in den offenen Eingang der Roof. „Fiete, wat zeigt die Klock?“. „Gleich acht!“ „Gut, gut“, brubbelte Hannes, dann kann ick den Skipper wecken“. Er öffnete den Niedergang zu Jans Kajüte: „Raise raise, Jan, gleich acht“, rief er nach unten, hörte ein kurzes Husten und das Vertraute: „Bin schon da“. Bin schon da, sagte er immer, der Skipper. Wie der Hase aus Buxtehude, der mit dem der Igel um die Wette lief. Auf dem Herd, kochte das Wasser für den Acht-Uhr-Tee.Der Skipper kroch an Deck. Noch rammdösig im Kopf setzte er sich im Windschatten des Aufbaues auf die Backkiste vorm Besanmast. „Hier Käpt’n“, Fiete reichte seinem Kapitän die Mug mit dem heißen Tee. Zubereitet nach Ostfriesen Art. Tee, ein Stück Kluntjes in die Mug, kochendes Wasser drüber, dann vier Minuten ziehen und die Sahne muss man sich denken. Die gib´s erst wieder frisch im Hafen. Jan, nippte an dem dampfenden Getränk: „Ah – das tut gut“ sagte er, spürte den herben Tee auf der Zunge und freute sich auf die Süße des Zuckers. Er blickte über die Verschanzung an den Wanten vorbei, weit rüber zur Kimm. Am Horizont, steuerbord voraus, machte er einen dunklen Strich aus. „Fiete, das Glas“. „Eine Insel“, sagte er nach genauem Hinsehen.Auf der ufernahen Anhöhe des Eilands erkannte er den Leuchtturm mit dem Anwesen des Leuchtturmwärters. Richtig! Es war „Sprogö“. Das „Großsegel“ killte im Wind. „Das Groß will mehr lose“, sagte er beiläufig. Mehr zu sich selber, als direkt an seinen Bestmann gewandt. Aber auch der hatte das gecheckt und riss am Schot. Das Schiff trug die geladenen 100 Tonnen Mais mit verblüffender Leichtigkeit, es lag gut in der See. Von der Kraft des Windes leicht gekränkt zog der Ewer mit Kurs zum Kattegatt in den nördlichen Teil vom Langelandbelt Der Laderaum war bis in die letzte Ecke mit dem Getreide gefüllt. Kein Seegang oder noch so starke Schräglage konnte gefährlich werden. Die Ladung war nach „altem Seemannsbrauch“ gestaut. Das gab Sicherheit. Die ersten Tage dieser Reise zeigten, die Besatzung hatte sich gut eingearbeitet. Sie kam mit dem „neuen“ Schiff gut zurecht. Alle Handgriffe saßen. Auch der Junge hatte sich dem Bordalltag angepasst. Und, was wichtig, er wurde nicht seekrank. Schon in Gräpel, als Hannes den Fiete String an Bord brachte, hatte Jan ein gutes Gefühl und wusste: aus dem Stader Jungen wird ein brauchbarer Seemann. Fiete war Berta Strings ältester Sohn. Und sie war Witwe..
Fietes Vater, der Fischer Hinni String, war nach einer Fangreise einfach nicht mehr zurückgekommen. War in der Nordsee geblieben. Nachdem die Behörde ihn für tot erklärt hatte, wurden Fiete und seine beiden Schwestern ganz offizielle Halbwaisen. Hatten Anspruch auf Unterstützung. Deshalb erhielt die, von der See zur Witwe gemachte, Berta Strings etwas Witwengeld. Ausgezahlt von der „Finkenwärder Fischer = Casse“, um für sich und ihre drei Kinder die existentielle Absicherung der Familie zu gewährleisten. Hieß es in der Police.Die Witwe nutzte das ausgezahlte Geld umsichtig und eröffnete unter der Vormundschaft ihres Schwagers einen Kramladen in Stade. So kam es, dass Hannes Büttner und seine Mutter, die gleich um die Ecke in der Bungenstrasse wohnten, bei der Witwe String ihre täglichen Besorgungen machten. Dort Fiete kennen lernten. Fiete, mit blondem Haarschopf und einem Gesicht voller Sommersprossen, als Ältester, mit seinen 14 Jahren schon längst aus der Schule entlassen, half der Mutter wo er konnte. Er sortierte die Waren, fegte den Laden, den Gehweg vor dem Geschäft, lieferte Kunden bestellte Ware ins Haus und träumte von der Seefahrt. Mutter machte sich Sorgen. „Ich möchte nicht, dass du wie unser Vadder endest“, sagte sie mit Nachdruck, wenn sie merkte wie er im Hafen den davon segelnden Schiffen nachsah.Hannes Büttner wusste davon, auch, dass Jan einen Jungen suchte. Einen, der es ernst meinte. Bei einem Einkauf erzählte Hannes von Jan Thools Neubau. Fiete war Feuer und Flamme. Seine Mutter erschrak. „Nein“ sagte sie sofort, „nein, ich möchte dich nicht auch noch verlieren“. „Aber Mutter, zusammen mit Hannes, was kann da passieren? Bitte“. Letztlich gab sie nach, vertraute ihrem Nachbarn Hannes Büttner. Der versprach auf den Jungen zu achten. So zog er dann, als das Schiff in Fahrt ging, mit auf Jan Thools Neubau. Fiete war selig. „Mutter“, sagte er, „du musst das auch so sehen, jetzt hast du einen Esser weniger. Ist doch wahr, oder?“Jetzt schlief Hannes. Jan steuerte das Schiff. Die morgendliche Briese trieb den Ewer kraftvoll voran. Jan fühlte sich gut. Hatte seinen Entschluss nicht bereut, als er seinen früheren Kollegen in Bremervörde bat bei ihm einzusteigen. Mit Hannes und Fiete ließ es sich arbeiten. Und die „Tina“ war ein hervorragendes Schiff. Schiffbaumeister van Wöhlen, von der Gräpeler Werft, hatte gute Arbeit geliefert. Wieder und wieder war das zu spüren. Tatsächlich, 09:00 Uhr, die Insel ist quer. Durch die fast vollständig eingetauchten Seitenschwerter hatte das Schiff kaum Abdrift und rauschte mit Steuerbordseite bei schlankem west-süd-westlichem Wind und guter Fahrt am Eiland vorbei. Abstand: eine Seemeile. Die helle Sommersonne schien auf die mit Buschwerk dicht bedeckte Insel. Sie schien auf Bäume und weitläufige Grasnarben; Möwen kurvten durch die Luft, Wellen brachen sich am kurzen Sandstrand. Zwei Fischerboote lagen an Land und daneben waren Netze zum trocknen und flicken aufgespannt.Ab hier neuer Kurs: 348 ¾°, Nordwest zu Nord. Der Oberflächen Strom setzte noch immer nach Norden. Der unermüdliche raume West-Süd-Westliche Wind blähte das Tuch. Schon um ein Uhr
mittags kam Rösnäs quer. Gute Leistung. Jan errechnete für diese 27 Seemeilen, von Sprogö bis zum westlichsten Punkt von Seeland, dem Leuchtturm Rösnäs, eine Segelgeschwindigkeit 6,75 Knoten. Schneller konnte ein voll abgeladenes Schiff wie die „Tina“ nicht segeln. Von dem Riff, vor der hohen Küste, musste er guten Abstand halten. Um Raum zum Land zu gewinnen änderte Jan den Kurs. Der Wind wurde stärker. Nun kam er aus West-Nord-West. Er röhrte in den Wanten und drückte auf die Besegelung. Die obersten Segel mussten geborgen werden. Schaumkronen überschlugen sich auf den Wellenkämmen. „Hannes“, rief Jan, „Toppsegel bergen, auch vom Besan“. Das Schiff segelte fast am Wind. Hannes war gerade dabei wegen der Abdrift das Leeschwert tiefer zu setzen, das Luvschwert zu justieren. Er blickte hoch, reagierte sofort, rief Fiete an Deck. Jan drehte das Schiff in den Wind, der Druck auf die Segel ließ nach. Hannes und Fiete bargen die beiden obersten Tücher. Mit weniger Tuch ging er zurück auf Kurs und lief in den Samsö Belt. Noch immer verfing sich der Wind mit ausdauernder Kraft im Tuch und trug die „Tina“ dem Limfjord entgegen. Abends, um Zehn Uhr, nach neun Stunden und fünfundvierzig zurückgelegten Seemeilen, passierte der Ewer an der Ostküste von Jütland das Feuer von Fornäs. Fünf Knoten, war ein guter Schnitt. Von den am Himmel dahinjagenden Wolken hatte sich das Kattegat die Farbe Grau geliehen. Stahlgraue Wellen, die weiße Kämme trugen, hoben und senkten das Schiff in monotoner Gleichmäßigkeit. Hinter der Jütländischen Küste, weit im Westen, verblasste das Licht des Tages. Es wurde kühler. Hannes zog sich die Mütze tiefer über die Stirn und schloss den obersten Knopf an der Jacke. Die tiefhängenden Wolkenfetzen schienen die Mastspitzen zu berühren. Der Wind sang in den Wanten. Hannes hielt das Ruder fest in der Hand. Für die Nacht hatte Fiete, etwas früher als sonst, das Feuer im Herd ausglühen lassen und die Positionslampen angezündet. Nun stand er breitbeinig, wie ein „Alter“, neben den steuernden Bestmann und beobachtete den Magnetkompass. Hochinteressant. Die Bewegungen der stets nach Nord zeigenden Kompassrose hatte es ihm angetan. „Sieh, Fiete“, rief Hannes um das Rauschen des Windes zu übertönen, „nicht die Scheibe des Kompasses dreht sich um die eigene Achse, der Steuerstrich, das Schiff mit dem Kursstrich, wandert an den Gradzahlen entlang. Verstanden?“
„Hm, ich denke schon“, antwortete Fiete in den Wind hinein. Aber so einfach war es nicht sich den Steuerstrich als Schiff vorzustellen. Montag, 29. Juli 1907, inzwischen war es ein Uhr in der Nacht. Hannes steuerte. Jan beobachtete den westlichen Horizont. Dunkel, fast schwarz war die See unter den dunklen Wolken. War da ein heller Blitz? Tatsächlich. Im Westen quälte sich ein Licht durch die Finsternis. Jan peilte das Feuer. „West zu Süd, 258 ¾ °, müsste wohl Gerrild Fyr sein“, sagte er und nahm das Glas, um die Kennung besser auszumachen, genauer zu bestimmen. Richtig; Es war Gerrild Fyr. Der geschätzte Abstand mochte so um die 5 Seemeilen sein. Sie waren in der Gerrild Bucht. „Wir bleiben auf Kurs“, sagte er zu seinem Bestmann, dem Mann am Ruder. Drei Stunden blieben sie noch auf dem gesteuerten Kurs. Dann, um vier Uhr Kursänderung. Jetzt konnte Süd Süd West gesteuert werden. Weitere 4 Stunden. Bis Tanger Flach.

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